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Nr. 20, Die Welt ist schlecht im falschen Geschlecht –
Der Satiriker Simon Borowiak

Feuilleton, Basler Zeitung, erschienen 24. Oktober 2007

Einst war Simone Borowiak die weibliche Hoffnung der deutschsprachigen Satire. Dann ging sie durch die Hölle und taucht nun mit einem neuen Roman wieder auf - als Mann

Geheimnisvolle Frauen stellt man sich irgendwie anders vor als diese Person mit dem Namen Borowiak. Nicht diese helle, aber eindeutig männliche Stimme. Nicht die kurze, undefinierte Frisur. Nicht dieses seltene, ungeschützte Lächeln. Und doch können alle düsteren Sphinxen und schillernden Androgynmelancholikerinnen einpacken, wenn sie die Bühne betritt. Simon, ehemals Simone Borowiak, die einstmals als die weibliche Hoffnung der deutschprachigen Satire galt, dann durch die Hölle ging, und nun mit einem neuen Roman ramponiert, aber gefasst wieder auf der Bildfläche erschienen ist. Im Körper eines Mannes.

Die Geschichte von Simone Borowiak beginnt 1992. Damals erschien im Eichborn-Verlag ein dünnes Buch mit dem Titel "Frau Rettich, die Czerni und ich". Es berichtete von drei ziemlich krakeelenden Damen, die aus unterschiedlichen Gründen zusammen nach Spanien in die Ferien fahren. Anders als dieser Plot erwarten lässt, war das keine hohle Frauenschnatterliteratur. Sondern ein Buch von krachendem Witz und herzzerreissender Zartfühligkeit, das von Frauen handelte. Es ist verbürgt, dass Männer existieren, die sich allein wegen ihrer Dialoge in Simone Borowiak verliebten. Dabei gab es nicht einmal ein Foto von ihr im Klappentext. Sie gab auch keine Interviews. Man wusste nur, dass sie als einzige Frau in der Redaktion der Satirezeitschrift "Titanic" arbeitete, was an sich schon als Sensation galt. In ihren Beiträgen beschrieb sie stets exakt die Dinge, die fühlenden Wesen angesichts der Einfalt des Lebens und der Mitmenschen die grössten Schmerzen bereiten. Regelmässig schrieb sie auch Spottgesänge auf Tote, in hessischer Mundart. Bei ihr traute niemand "Darf man das?" zu fragen. Weil sie so gut war.

Es folgten einige Bücher mit kürzeren oder längeren Texten, immer im typischen Borowiak-Ton: ergreifend komische Geschichten von einem Ich, das in einer viel zu lauten, viel zu grellen Welt mittels verzweifeltem Humor zu überleben versucht. 1998 wurde "Frau Rettich, die Czerni und ich" vom Schweizer Regisseur Markus Imboden sehr schlecht verfilmt. Aber immerhin mit Iris Berben und Martina Gedeck in den Hauptrollen. Borowiak selber schrieb das Drehbuch und berichtete davon in einem kleinen Büchlein mit dem Titel "Erste Zeile, letzte Klappe". Ansonsten hielt sie sich von der Öffentlichkeit fern. Nur einmal erschien in einem Zeitgeistmagazin ein Porträt. Es erzählte, dass sie Tochter eines Lehrerpaares aus Frankfurt/Main sei und ihre Menschenverachtung in katholischen Internaten gelernt habe. Und dass sie die geplante Karriere als Pianistin wegen krankhaftem Lampenfieber nicht antreten konnte. Das Foto zeigte eine unauffällige Frau mit schmalen Schultern in einem formlosen Mantel. 1999 erschien "Pawlows Kinder", der erste ernsthafte Roman. Er handelt von einer Gruppe sympathischer, aber höchst komplizierter Persönlichkeiten in einem abgelegenen Internat, und ging praktisch klanglos unter.

Das nächste Mal von Borowiak hörte man 2006. In der deutschen "Bild"-Zeitung stand, Simone sei jetzt ein Mann. Seit Jahren nehme er Hormone und stünde kurz vor der geschlechtsangleichenden Operation. Überdies habe er gerade die Alkoholsucht überwunden und zum Thema ein Sachbuch mit dem Titel "Alk" veröffentlicht. Darin standen Sätze wie "Die zitternden Hände, die das erste Glas umklammern, erreichen kaum den Schlund in dem ebenfalls zitternden Kopf. Aber was muss, das muss. Der Druck ist stark, aber der Magen schwach. In hohem Bogen verlässt der Drink wieder den Körper. Schade um den guten Stoff. Weitermachen. Nächster Versuch. Irgend etwas muss doch drin bleiben." Man erfuhr, dass hinter der ehemaligen Simone Borowiak Jahre des Alkohols, der Depression und der völligen psychischen Auflösung liegen.

Davon sieht man relativ wenig an dem Abend, an dem Borowiak in Hamburg den neuen Roman "Wer wem wen" vorstellt. Zwischen einem befreundeten Autor und dem ebenfalls befreundeten Comedian Dirk Bach sitzt er unauffällig auf der Bühne. Das Gesicht ist immer noch dasselbe, nur etwas zerfurchter, auch die schmalen Schultern sind geblieben. Auch als Mann scheint Borowiak keiner von der Sorte zu sein, in der besonders viel Testosteron wütet. Eher der ruhige, gütige, vielleicht etwas zauselige Typ. Kurz bevor es auf der Bühne losgeht, schlüpft er durch einen schwarzen Vorhang in den Zuschauerraum, um Familie und Freunde zu begrüssen, für die er in den ersten beiden Reihen "reserviert"-Zettel auf die Stühle gelegt hat. Von Eltern und Freunden wird er umarmt, etwas steif aber liebevoll neckt er seine Schwester. Die Frau, die Borowiak einmal war, ist völlig in dieser neuen Person verschwunden. Und dieses Verschwinden scheint den Menschen glücklicher und freier gemacht zu haben. Wenn man direkt dahinter sitzt, ist das wesentlich verwirrender, als es hier klingen mag. Als Mann ist Borowiak nicht mehr krankhaft schüchtern. Die Lesung ist ein grosser Erfolg und der Autor bleibt fast zwei Stunden auf der Bühne. Die weibliche Hoffnung der deutschsprachigen Satire ist jetzt also ein Mann und fühlt sich sehr viel besser. Wenn das nicht die Ironie des Schicksals ist, dann gibt es keine.

© Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche kommerzielle oder nichtkommerzielle Nutzung, auch auszugsweise und in elektronischen Medien, nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin.

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Nr. 24, Sex in einer anderen City –
Michael Tolliver lebt und andere Stadtgeschichten

Rezension - Basler Zeitung, erschienen 27. Juni 2008


Michael Tolliver lebt weiter - natürlich in San Francisco.

Eine junge Frau aus der Provinz kommt in die Grossstadt, sucht eine Unterkunft und findet ein neues Leben. Das ist ein Klischee. Aber es ist auch der Anfang einer der beglückendsten literarischen Fortsetzungsgeschichten des späten 20. Jahrhunderts.

Dass dieses Leben von intensiven Freundschaften, sonnigem Wetter, sexuell aktiven Menschen wechselnder Geschlechtszugehörigkeit und der einen oder anderen unglaublichen Laune des Schicksals geprägt sein wird, kann die brave Mary Ann Singleton noch nicht wissen, als sie ein Zimmer in der Barbary Lane in San Francisco mietet. Aber als ihr die Hauswirtin zur Begrüssung einen Joint an die Tür klebt, gefüllt mit hochwertigem Marihuana aus dem Hausgarten, ahnt Mary Ann - und mit ihr die Leserschaft - dass dieses neue Leben ein Gutes sein wird.

"Tales of the City", auf Deutsch: "Stadtgeschichten" hiess der erste Band der gleichnamigen, legendär gewordenen Saga. Geschrieben hat ihn der amerikanische Schriftsteller Armistead Maupin. Er wurde 1944 geboren und wuchs im Mittelwesten als Sohn einer christlichen Familie auf. In den USA erschienen die ersten Stadtgeschichten 1978 in Buchform, im deutschen Sprachraum 15 Jahre später. Da war diese lebenspralle und skurrile Vorform der "Lindenstrasse" bereits Lieblingslektüre für Millionen von Leserinnen und Lesern geworden.

Ursprünglich hatte der Autor, hauptberuflich Reporter bei einer Nachrichtenagentur, jeden Tag eine Folge für den "San Francisco Chronicle" verfasst. Er beschrieb seine eigene, nur leicht idealisierte Welt, in der Sexualität, Hedonismus und ein ziemlich andauerndes Hochgefühl als Motor für alles dienten. Immerhin waren es die Siebzigerjahre in San Francisco. Der amerikanische Puritanismus und das restriktive Christentum waren im Mittelwesten zurückgeblieben, Aids gab es noch nicht, und so surfte man unbeschwert auf der letzten Welle des späten Hippietums. Trug dabei aber wesentlich engere Kleidung.

So bunt und verschiedenartig das Personal der Stadtgeschichten ist, das Mary Ann bald in seiner Mitte aufnimmt, haben doch alle etwas gemeinsam: Es sind Figuren, die bereit sind, die volle Verantwortung für ihr Glück zu übernehmen. Das gibt ihnen eine verführerische Unerschrockenheit. Genau wie Mary Ann möchte man auch als Leser bald so viel Zeit wie möglich mit den neuen Nachbarn verbringen. Mit der wilden Mona, der gütigen und irgendwie undurchschaubaren Vermieterin Anna Madrigal, dem freundlichen schwulen Michael Tolliver. Sogar mit der hohlen DeDe und ihrem Ehemann Beauchamp. Ihre Abenteuer erzählt Maupin in süffigen Anekdoten, von denen man immer noch eine und noch eine liest, bis wieder ein Band zu Ende ist. Dem ersten Band folgten fünf weitere. Aber die Stadtgeschichten-Sage, die sich über fast zwei Jahrzehnte spannt, ist mehr als nur eine freigistig inspirierte Seifenoper. Sie spiegelt auch die langsamen, tiefgreifenden Veränderungen der amerikanischen Gesellschaft: Die lustbetonten Siebziger gehen in die erfolgsorientierten Achtziger der Yuppies über, und auch aus Anna Madrigals Haus nehmen einzelne Bewohner diesen Weg.

Aids kommt auf, auch in den Stadtgeschichten gibt es Ansteckungen, Krankheit, Leid. "Schluss mit Lustig" hiess der letzte Band, der 1994 auf Deutsch erschien. Darin ist Michael Tolliver mit HIV infiziert, fast alle Bewohner der Barbary Lane ausgezogen und Mary Ann will mit allem nichts mehr zu tun haben.

Eine weitere Folge lehnte Maupin ab. Stattdessen genoss er die Verehrung, die ihm als Symbolfigur eines aufgeschlossenen Amerikas entgegenschlug. Er engagierte sich für die Gleichstellung Homosexueller und verfasste zwei weitere Romane, die nichts mit der Barbary Lane zu tun hatten. Er lernte den 27 Jahre jüngeren Webseitenbetreiber Christopher Turner kennen und heiratete ihn im Februar 2007. Dan schrieb er doch einen neuen Band. Er trägt den Titel "Michael Tolliver lebt". Das ist eine sehr gute Nachricht.

In diesem Band erzählt Maupin neuerdings durchgängig aus der Ich-Perspektive des Helden. Dieser tut das, was der Titel verspricht: leben. Und zwar sehr glücklich. Die anti-retroviralen Medikamente halten ihn einigermassen gesund, und er wird geliebt von seinem um Jahrzehnte jüngeren Ehemann, der ihn gerade wegen seines gealterten Körpers begehrt. Tolliver ist bei sich angekommen. Das Glück der Zufriedenheit wirkt auf Zuschauer immer etwas kitschig und auch "Michael Tolliver lebt" entbehrt nicht einer gewissen gefährlichen Süsse.

Aber das sind eben auch die stabilen Eckpfeiler des Maupin´schen Universums: Selbstverantwortung, Verbindlichkeit, Witz und ein unsentimentaler Pragmatismus. Darum ist es auch egal, ob man als Leserin oder Leser selber schwul oder lesbisch, am Anfang des Weges oder weit fortgeschritten, skurril oder ganz brav ist. Die Stadtgeschichten sind Geschichten über das Erwachsenwerden. Und zwar in jedem Alter.

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Nr. 26, Ein glücklicher Mann –
Der Basler Saxophonist Sam Burckhardt in Chicago

Porträt - swiss Magazine, erschienen 20. März 2009

Samuel Burckhardt aus Basel hat sich schon als junger Mann aus gutem Hause seinen Lebenstraum verwirklicht: Er ist Bluesmusiker in Chicago geworden

Auf der Bühne des Jazzclubs Buddy Guy´s Legends steht ein schmaler Mann in dunklem Anzug schräg zum Publikum. Er ist ganz in das Zwiegespräch mit seinem Saxophon vertieft. Von der Seite scheint er sich an die Töne heranzuschleichen, bevor er ihr Innerstes für einen Moment vibrieren lässt. Getragen wird seine Melodie vom Groove des Schlagzeugs, vom Swing des Keyboards, vom Pulsieren des Basses. Am Ende seines Solos öffnet er die Augen und bedankt sich mit einem kurzen, schüchternen Lächeln für den Applaus des Publikums. Es gibt keinen Zweifel. Hier hat ein Mensch seine Heimat gefunden - in Chicago und im Blues dieser Stadt. Dieser Mann heisst Sam Burckhardt und ist 1957 in Basel als Sohn einer der angesehensten Familien geboren. Weniges hätte für ihn einst unwahrscheinlicher geklungen, als dass er einmal als Musiker in der Bluesmetropole der USA leben würde.

Sam - Samuel - Burckhardt sitzt auf seiner Dachterrasse im Chicagoer Szeneviertel Wicker Park. Von hier hat er die ganze Skyline im Blick. "Die Burckhardts sind eigentlich Ärzte und Rechtsanwälte", lächelt er. In der gutbürgerlichen Familie gehörte eine musikalische Ausbildung für die Kinder zwar zur Allgemeinbildung. "Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich mit Musik mein Geld verdienen könnte", sagt er. "Musik war etwas, was man zur eigenen Freude macht." Obwohl Sam Burckhardt seit fast dreissig Jahren in den USA lebt - und wie ein Amerikaner sprechen kann - hat er sich den akzentfreien, charmant altmodischen Basler Dialekt bewahrt. Über seine älteren Brüder kam Sam Burckhardt zur Blues-Musik. Bereits mit 14 stand er als Schlagzeuger selbst auf der Bühne: "Ein Freund meines Bruders hatte mir einen Auftritt mit Eddie Boyd vermittelt." Der legendäre Blues-Pianist spielte damals in Bern und Sam, noch Mittelschüler, war wohl schon durch Talent aufgefallen.

Wenige Jahre später fand die Begegnung statt, die dem Leben von Sam Burckhardt die entscheidende Wendung gab: 1975 lernte er Sunnyland Slim kennen. Dieser fünfzig Jahre ältere, charismatische Bluespianist aus Chicago war wieder einmal auf Tournee in Europa und spielte in der Nähe von Basel in einem kleinen Club. Sam Burckhardt fuhr natürlich hin. "Als ich Sunnyland vor dem Konzert an der Bar herumlungern sah, sprach ich ihn in meinem Schulenglisch an. Ich verstand zwar nur die Hälfte von dem, was er sagte, aber er meinte, es sei für ihn schwierig, so ohne Band. Ich erwähnte, dass ich schon mit seinem Freund Eddie Boyd gespielt hätte. Zufällig stand ein Schlagzeug neben der Bühne und Sunnyland meinte, ich solle es doch aufstellen. Dann traten wir an diesem und dem folgenden Abend zusammen auf."

Ein Jahr später reiste der Schweizer zum ersten Mal in die USA und traf die Blues-Legende wieder. Der zwei Meter grosse, eigenwillige Künstler war als Enkel von befreiten Sklaven im ländlichen Mississippi aufgewachsen und in den 1940er Jahren als Musiker nach Chicago gekommen. "Sunnyland nahm mich in all die legendären Clubs in der Southside mit, die es damals noch gab." Sam hatte inzwischen zum Saxophon gewechselt. Aber nicht nur die Musik, auch der Lebensstil in der Blueszene von Chicago beeindruckte ihn schwer. "Nachts um zwei ist man auf die Strasse getreten und da wurden noch Hot Dogs verkauft. So etwas kannte ich aus der Schweiz überhaupt nicht." Dennoch entschied er sich, in Zürich Ethnologie zu studieren. Kurz vor dem Diplom spielte Sunnyland Slim wieder in Europa. "Er lud mich ein, ihn wieder einmal in Chicago zu besuchen und bei ihm und seiner Frau zu wohnen. Ich dachte, ein bisschen Ferien vor den Prüfungen tun mir gut und buchte einen Flug." Wieder spielte er jeden Abend mit Sunnyland und seiner Band in den Clubs von Chicago. Und plötzlich war dem Studenten klar: "So will ich leben." Also reiste er zurück nach Basel um seinen Eltern mitzuteilen, dass er das Studium abbrechen möchte, um sein Glück in Chicago als Bluesmusiker zu versuchen. "Mein Vater wollte ganz genau wissen, warum ich das will. Schliesslich schien ihn meine Antwort zu überzeugen und meine Eltern waren einverstanden." Und was hat Sam gesagt? "Ich sagte, ich will es wenigstens probieren. Damit ich mir als alter Mann nicht vorwerfen muss, dass ich den Mut nicht gehabt habe."

So zog Sam Burckhardt 1982 mit einem Rucksack und seinem Saxophon zu Sunnyland Slim und seiner Frau in die Southside von Chicago, wo ausser ihm nur Schwarze lebten. Fast jeden Abend traten sie in den Clubs der Stadt auf. Hat er sich manchmal fremd gefühlt? "Wenn man spielen konnte, wurde man akzeptiert", sagt Sam Burckhardt. Falls er sich in den Anfangszeiten einmal einsam gefühlt haben sollte, ist er nicht der Mensch, der das heute noch erwähnt. Bald war er auch für die Organisation der Tourneen und der Auftritte mit Sunnyland und dessen Band zuständig. Über ein Dutzend Jahre lang spielte er mit dem Meister. Ebenso lang ist es jetzt her, dass dieser im Alter von 87 starb. Da war Sam Burckhardt schon eine Weile von der Southside weg- und mit seinem Lebensgefährten Richard zusammengezogen. Den damaligen Kunststudenten und heutigen Anwalt Richard Wilson lernte Sam Burckhardt an seinem dritten Tag in Chicago kennen. Seither sind sie ein Paar. Seit sechs Jahren wohnen sie in der mehrstöckigen, lichtdurchfluteten, mit moderner Kunst liebevoll eingerichteten Eigentumswohnung in Wicker Park. In Kanada haben sie geheiratet.

Nach dem Tod von Sunnyland gründete Sam Burckhardt seine eigene Combo, die sich inzwischen zum Trio gewandelt hat. Jedes Jahr kommt er auf Tournee in die alte Heimat. Ausser Jazz und Blues spielt er mit dem Basler Kirchenorganisten Stephan Grieder auch improvisierte Kirchenmusik. Die ständige musikalische Weiterentwicklung ist für ihn wichtiger als je zuvor. "Mein neuer Bandleader schreibt ziemlich komplizierte Sachen. Da muss ich richtig viel üben. Das finde ich grossartig." Er grinst spitzbübisch, wie es seine Art ist. Wenn ihm in seinem Musikzimmer eine komplizierte Notenfolge doch einmal zu anstrengend ist, legt er das Saxophon einfach zur Seite und nimmt stattdessen sein Fernglas zur Hand. Die zweite, grosse Leidenschaft von Sam Burckhardt ist die Vogelkunde. Von seinem Vater, einem Biologen, hat er als Kind gelernt, Vogelstimmen auseinanderzuhalten. Das fasziniert ihn bis heute. Am meisten aber liebt Sam Burckhardt noch immer die Abende, die er auf der Bühne verbringt. Spätestens, wenn man ihn dort sieht, erkennt man: in Chicago führt er das Leben eines glücklichen Mannes.

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Nr. 28, Mit den Augen der Liebe –
Das Paar Harald Glööckler und Dieter Schroth

Porträt - Welt am Sonntag, erschienen 20. Dezember 2009

Die Radikalspießer

Er ist die schillernde Figur in Deutschlands Modezirkus. Privat aber ist Harald Glööckler solide. Seit 23 Jahren lebt der Designer mit Dieter Schroth zusammen. Und am Wochenende kommen die Kinder...

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