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Nr. 86, Warten im Dazwischen

Essay – Bref - das Magazin der Reformierten (Zürich), erschienen 7. Juli 2017

Befreit von der Anwesenheitspflicht im Alltag: Am Flughafen auf den Einstieg in den Flieger warten, kann der pure Luxus sein.

Wenn man es so macht, wie man es fast immer macht, ist es so lästig wie eine Website, die zu langsam lädt. Dauert bloss noch länger: das Warten am Flughafen, bis man in den Flieger steigen kann. Verschlimmert noch durch die Stressphase davor, die spätestens mit der Ankunft am Flughafen einsetzt. Wo ist der richtige Schalter? Das flaue Gefühl, wenn der Koffer auf dem Band verschwindet. Dann das Jacken- und Gürtelballett der Sicherheitskontrolle. Wird es piepsen? Tastet eine kaugummikauende Sicherheitskraft nach den BH-Bügeln oder zwischen die Beine, während Handy, Computer und Schlüsselbund zwischen lauter hastigen Fremden offen daliegen? Dann saugen einen die endlosen Gänge ein, bis man endlich am Gate eintrifft. Wenn man es macht, wie man es fast immer macht, kommt jetzt der öde Teil.

Im gesicherten Bereich sehen die meisten Flughäfen ähnlich aus. Überall dasselbe diffuse Licht, die immer gleichen Verkaufs- und Kosmetikstände, vor dem Fenster das lautlose Gewusel auf dem Vorfeld. Die künstliche Luft gibt keinen Hinweis darauf, ob draussen die schwüle Hitze Kolumbiens oder die nüchterne Nässe Stockholms herrscht. Allenfalls an den Horizonten kann man erahnen, wo man sich gerade befindet. Wenn man es so macht, wie man es fast immer macht, guckt man jetzt aufs Handy oder blättert in der Zeitung.

Und genau hier kommt die Schönheit ins Spiel. Jedenfalls dann, wenn man für ein Mal alles ganz anders macht. Wenn man das merkwürdige Nirgendwo tatsächlich wahrnimmt, in dem man gerade ist. Nicht mehr ganz am Anfang der Reise. Aber auch noch nicht richtig unterwegs. Parkiert in einer streng reglementierten Zwischenwelt, wo es kaum mehr Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Einen so extrem definierten und gleichzeitig an Sinneseindrücken so armen Raum erleben wir sonst fast nur in der Virtualität. Für dreissig, vierzig Minuten sind die Koordinaten unseres Daseins darin verschwommen. Denn während wir hier warten, sind wir nichts als PAX, wie es in der Flugsprache heisst: sicherheitsüberprüfte, ansonsten unspezifische Passagiere, die lediglich auf vorgeschriebenen Wegen störungsfrei von A nach B bugsiert werden müssen. Mehr Individuum müssen wir in diesem Moment nicht sein. Niemand erwartet wirklich die scheinbar so wichtigen, letzten Telefonate, unsere noch hastig abgesetzten Nachrichten. Sie sind nur Selbstberuhigung. In Wirklichkeit sind wir vom Betreten der Sicherheitszone bis zur Ankunft am Flugziel von der Anwesenheitspflicht im Alltag befreit.

Diese abstrakte Sphäre, in der wir gleichzeitig unbehaust und geborgen, preisgegeben und gelenkt sind, lässt sich nirgendwo anders erreichen als in Flughäfen, nachdem man die Sicherheitskontrolle absolviert hat. Man kann süchtig werden danach und extra eine Stunde früher zum Flughafen fahren, um sie gründlich auszukosten. Im Nirgendwo zu sein und nichts tun zu müssen, ist purer Luxus. Er tut der gestressten Seele ähnlich gut wie die Sekunden, die man an einer roten Fussgängerampel einfach stehen bleibt, auch wenn weit und breit kein Auto kommt. Doch das wäre nochmal ein ganz anderes Thema.

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Nr. 85, Warum macht Reisen glücklich?

Essay – Mannheimer Morgen, erschienen 8. Juli 2017

Unterwegssein ist für Autorin Susann Sitzler der beste Lehrer der Welt. Ein Gastbeitrag – und kein Text für reine Touristen

Vor mir glitzert das Wasser. Neben mir stakst eine Möwe von der Größe eines jungen Königspudels am Hafenbecken entlang. Wenige Meter entfernt bietet die Frau des Fischers den Fang des Morgens feil und die Möwe scheint zu ahnen, dass, wenn der letzte Fisch verkauft ist, auch für sie etwas abfällt. Doch jetzt erscheint eine Gruppe Jugendlicher. Wahrscheinlich sind sie mit einem der Kreuzfahrtschiffe gekommen, die hier, am Hafen von Helsinki, regelmäßig Zwischenhalt machen. Die Jugendlichen haben sich eine Pappschale mit Frittiertem geholt. Sie finden es eine brillante Idee, der riesigen Möwe ein Stückchen davon direkt vor den Schnabel zu werfen. Die pickt es gierig auf und fängt an, grell zu kreischen...

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Nr. 82, Seoul – Coole City!

Reisereportage - abenteuer & reisen, erschienen 10. September 2016

Südkoreas Hauptstadt ist hip. Doch braucht der Besucher Zeit, bis er hinter der glatten Maske der Stadt ihr wahres Gesicht erkennt. Unsere Reporterin hat Seoul lange genug studiert – und war hellauf begeistert

Mit unbewegtem Gesicht surrt der Mann auf mich zu. Sein Blick wischt unaufhörlich wie ein Laserstrahl über den Boden. Alarmiert fasse ich in meine Tasche. Gott sei Dank – das grellbunte Kaugummipapier ist noch da. Der Mann auf dem Segway scheint eine Art futuristischer Müllmann zu sein. Kleinste Fitzelchen fischt er mit seinem Greifarm vom stäubchenfreien Bürger­steig. Ich stehe vor dem Dongdaemun Design Plaza im Zentrum von Seoul. Das Designzentrum ist gigantisch wie ein Raumschiff und amorph geformt wie ein Pantoffeltierchen...

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