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Nr. 36, Amerika soll nicht frieren –
Besuch beim Erfinder der Daunenjacke

Reisereportage - Die Zeit, erschienen 25. November 2010


Wie ein deutscher Ingenieur in Aspen den Stars das Skifahren beibrachte und nebenbei die Daunenjacke erfand

Da steht nun dieser 91-Jährige mit ausgebreiteten Armen am Swimmingpool und jodelt. Bekleidet nur mit einer Badehose. Das ist Klaus Obermeyer, Ingenieur. Nun zieht er auch noch eine Daunenjacke an, für die Fotografin. Das ist das Bild, das im Gedächtnis bleiben wird: ein Bayer in Colorado, sonnengebräunt und federnd...

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Nr. 37, Zum Kringeln –
Aarhus schafft sein Å ab

Stadtporträt - Die Zeit, erschienen 30. Dezember 2010

Ein Buchstabe entzweit eine Stadt: Am 1. Januar wird aus Århus Aarhus – und die Hälfte der Bewohner ist empört

Jesper ist ein bulliger Mann. Er sitzt auf am Aufgang zur Zuschauertribüne im Rathaus von Århus und beobachtet die Mitglieder des Stadtrats, die mit eiligen Schritten die geschwungene Treppe hinaufgehechtet kommen. In wenigen Minuten beginnt die Sitzung. Jesper ist wütend, seit der Sache mit dem A, und schlecht zu sprechen auf die Abgeordneten. Obwohl Mitglied der sozialistischen Volkspartei und eigentlich von revolutionärem Eifer erfüllt, kämpft Jesper diesmal für das Althergebrachte – und sie haben es zerstört. „Einfach die Schreibweise einer Stadt zu ändern ist so, als ob man jemandem Herz und Seele herausreißt", sagt er. Vom 1. Januar an soll Århus Aarhus heißen. Wird Jesper den Namen jemals mit Doppel-A schreiben? Er macht eine derart abwehrende Bewegung, dass der Cappuccino in einem weiten Bogen aus seinem Coffee-to-go-Becher spritzt.

Bei einer Sitzung im Oktober hat der Stadtrat die Änderung der Schreibweise beschlossen. „Dadurch wird unsere Stadt im Internet viel präsenter sein", versprach Bürgermeister Nicolai Wammen von seinem glänzenden mahagonibraunen Sprecherpult im Ratssaal herab. Vorangegangen war eine erregte Debatte. Schließlich hob die Mehrheit für den Sozialdemokraten die Hand. Im Volksmund heißt der Buchstabe, der damit aus dem Namen gestrichen wird, „Bolle-Å" – Kringel-A. Wer ihn außerhalb Skandinaviens jemals auf einer Computertastatur gesucht hat, weiß, dass die Änderung zumindest unter praktischen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Eingeführt wurde der Kringel 1948 bei der dänischen Rechtschreibreform. Davor hatte die ostjütländische Stadt jahrhundertelang Aarhus geheißen. Beide Laute werden gleich ausgesprochen, etwa so wie das deutsche „o" in „normal".

Das Rathaus liegt mitten in der Stadt – ein lichter, hellgrauer Kasten, dessen hoher, viereckiger Glockenturm schon vom Bahnhof aus zu sehen ist. Seinen Glamour entblättert das Gebäude aber erst, wenn man es betritt. Der dänische Architekt Arne Jacobsen, weltberühmt für seine ameisenförmigen Küchenstühle, hat es in den dreißiger Jahren gestaltet und 1941 vollendet. Heiter und elegant wie in einem Theater ziehen sich Balustraden über drei Stockwerke. Die Wände sind mit hell glänzenden Buchenpaneelen ausgekleidet. Das rundliche Schaltbrett des Lifts, das geschwungene Messinggeländer der fußfreundlichen Treppe, alles ein Rausch aus Harmonie und Gediegenheit, geordnet nach nicht allzu strengen Prinzipien des nordischen Funktionalismus. An jedem Werktag können Besucher das Baudenkmal kostenlos besuchen. Seit 1994 steht es unter Denkmalschutz.

Das Büro von Nicolai Wammen liegt im ersten Stock. Die Offenheit seines Bubengesichts verbindet der 41-jährige Bürgermeister bereits mit den abgezirkelten Gesten eines großen Staatsmanns. Wammen hat noch viel vor. Nicht wenige seiner Wähler glauben, dass er sogar das Zeug zum Premierminister hat. Er beginnt im freundlichen Plauderton der Skandinavier und wechselt sofort in druckreife Sätze, wenn eine Frage kommt. „Heute mögen viele gegen die Umbenennung sein", sagt er. „Aber wenn man dieselben Leute in zehn Jahren fragt, werde sie sie gutheißen." Wammen wohnt kaum zehn Minuten entfernt in der Innenstadt und kommt jeden Tag zu Fuß ins Rathaus. „Dadurch bin ich immer nah an der Bevölkerung." Aber in letzter Zeit hätte er sich auf dem Weg durch die Fußgängerzone Ryesgade wohl etwas weniger Ansprache gewünscht. Eine Umfrage ergab, dass 57 Prozent der rund 300 000 Einwohner gegen die geänderte Schreibweise sind. Viele von ihnen haben Wammen ihre Meinung persönlich ins Gesicht gesagt.

Århus ist eine junge Stadt. Ein Sechstel der Bewohner sind Studenten der renommierten Universität. Man begegnet ihnen überall, sie haben Zweitjobs hinter Supermarktkassen oder Hotelrezeptionen, danach bummeln sie in Gruppen durch die Einkaufsstraßen. Sie prägen auch den Umgangston der Stadt, der fröhlich ist und wenig förmlich. Obwohl sie sich lieber auf Englisch unterhalten, sprechen auffallend viele Bewohner Deutsch. „Wie alt bist du?", fragen sie. „Was denkst du über das Bolle-Å?"

Hinter dem Dom beginnt das „Latin Quarter", auf das die Århuser besonders stolz sind. Kleine Sträßchen mäandern zwischen mittelalterlich niedrigen Häusern, alle säuberlich renoviert. In fast jedem Gebäude ist eine Boutique mit individuellem Design oder hochwertigem Kunsthandwerk untergebracht. Die Geschäfte schließen früh. Bis dahin wird die Zeit genutzt – kaum jemand in Århus scheint ohne Dutzende von Tüten und Taschen von einem Stadtbummel zurückzukehren. Zwischen den Boutiquen kuscheln sich Cafés. Von ihren Lämpchen- und Kerzendekorationen strömt molliges Licht in die gepflasterten Gassen. Hinter den Schreiben sitzen junge Frauen, die Hände um warme Tassen gelegt. Das ist im Café Drudenfuss nicht anders als im Underground.

Århus ist hyggelig – gemütlich. In der Altstadt bietet sich Besuchern und Bewohnern maximales Wohlbehagen. Dabei gibt es Cafés hier erst seit den späten siebziger Jahren. Davor sah niemand einen Gruß, großstädtische Gewohnheiten wie das Kaffeetrinken außer Haus zu übernehmen. Für die Hauptstädter in Kopenhagen ist Århus immer Provinz geblieben. Wenn überhaupt, reisen sie für die Kunst hierher.

Ein paar Hundert Meter weiter an der Vester Allé liegt nämlich das zweite architektonische Wahrzeichen der Stadt nach dem Rathaus, das Kunstmuseum ARoS. Die Schreibweise spielt mit dem Wikingernamen von Århus: Aros. Der schmucklose Würfel ist mit Zehntausenden Kunstwerken aller Epochen prall gefüllt. Aber sie sind so geschickt hinter kahlen Wänden verteilt, dass das Gebäude beim Betreten fast leer wirkt. Auf dem Dach erschafft gerade der isländisch-dänische Landschaftskünstler Olafur Eliasson einen riesigen, begehbaren Glasring in den Farben des Regenbogens. Vom kommenden Sommer an soll er Besucher aus ganz Europa anlocken. In der verglasten Cafeteria im Erdgeschoss sitzt Bjarne Bækgaard.

Bækgaard würde am liebsten im ARoS schlafen, essen und wohnen. „Das sage ich nicht nur, weil ich hier arbeite." Bækgaard glaubt an Århus. Viele Jahre war er Journalist bei der Boulevardzeitung Stiftstidende, bevor er Pressesprecher des Museums wurde. Im Gespräch beginnt er sofort, Skizzen auf Servietten zu kritzeln, um sich schneller verständlich zu machen. Zum Beispiel, wenn es um den Zwiespalt geht, den die Århuser in der Frage der Schreibweise empfinden. Bækgaard kennt ihn selbst. Seit der Reform von 1948 müsste auch das Doppel-A in seinem Familiennamen als Bolle-Å geschrieben werden. Aber die Familie hat an der alten Version festgehalten. Wenn jemand irrtümlich den Kringel benutzt, korrigiert Bækgaard sofort: „Mein Name gehört zu mir. Ich will nicht, dass ihn jemand ändert." So ähnlich geht es vielen Århusern mit dem Namen der Stadt. In dieser Frage ist Bækgaard jedoch ohne Leidenschaft. „Wichtiger als die Schreibweise finde ich, die Identität von Århus als Kulturstadt zu stärken."

Århus führte immer das Leben einer Provinzstadt, die im Schatten der Metropole gemächlich vor sich hin existieren konnte. Man erfreute sich an dem Ruhm, den die Universität brachte, und spürte keine Notwendigkeit, sich anderweitig hervorzutun. Erst seit so gut wie jeder Ort um eine Stellung im globalen Dorf konkurriert und um Bewohner und Besucher buhlt, ist es plötzlich wichtig, an welcher Stelle man steht: im Städteranking und sogar im Alphabet. In Dänemark gehört das doppelte Aa ganz nach vorne zum ersten Buchstaben. Das Bolle-Å steht an letzter Stelle, bei den Sonderzeichen. Auch das war ein Argument der Befürworter einer Namensänderung.

In ungefähr einem Jahr soll das Wort Århus größtenteils aus dem Stadtbild verschwunden sein. Die Änderungen von Verkehrstafeln und städtischen Uniformen werden schrittweise erledigt. Bis zu zwei Millionen dänische Kronen, etwa 270 000 Euro, stehen dafür bereit. „Die neue Schreibweise wird uns nicht mit einem Schlag weltberühmt machen. Aber schon jetzt hätten wie die Aufmerksamkeit, die wir durch den Wechsel bekommen, niemals bezahlen können", sagt der Bürgermeister. Als der Zeiger der Turmuhr auf vier Uhr springt, eröffnet Nicolai Wammen im Stadtratssaal die heutige Sitzung. Wenn er bei den dänischen Parlamentswahlen im Frühling Erfolg hat, verlässt er die Stadt. Egal, ob Århus irgendwann ganz vorne im europäischen Alphabet steht. Für den Bürgermeister hat die neue Schreibweise ihren Zweck erfüllt. Nicolai Wammen wird für immer derjenige sein, der nach 63 Jahren Bolle-Å für seine Heimatstadt die internettaugliche Schreibweise eingeführt hat. Daran wird auch Jespers Zorn nichts ändern können.

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Nr. 39, Alle Mäuse fliegen hoch –
in Austin, Texas leben Millionen Fledermäuse

Reisereportage - Die Zeit (Sonderheft Reise), erschienen 10. März 2011

Unter einer Brücke im texanischen Austin wimmelt es von Fledermäusen. Jeden Abend, noch ehe es dunkel wird, färben sie den Himmel schwarz

Als ich mich gerade fragte, was das hier wohl noch werden würde, begann der Sturm. Erst war es nur eine Linie aus schwarzen Schatten, die sich wie ein im Wind flatternder Seidenschal unter dem Brückenpfeiler emporhob. Dann wurde die Linie breiter, aus dem Flattern ein Schlagen, und innerhalb von Sekunden strebten mehrere Bänder zusammen zu einer wimmelnden, schwarzen Wolke...

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Nr. 40, Man liest Deutsch –
Die deutsche Bibliothek Helsinki birgt viele Schätze

Reisereportage - Die Zeit, erschienen 4. August 2011

Umgeben von prächtiger Architektur und bestückt mit literarischen Kostbarkeiten: Die Deutsche Bibliothek Helsinki entstand vor 130 Jahren

Der Esplanadi-Platz ist das glitzernde Zentrum von Helsinki: gepflegter Rasen und alte Bäume in der Mitte, gepflegte Geschäfte und hohe Preise in den prächtigen Gebäuden rundherum. Und alle paar Meter ein hell getünchter Steinpavillon, aus dem Getränke verkauft werden. Der Esplanadi hat aber auch eine Rückseite. Man erreicht sie über das Sträßchen Fabianinkatu. Hier liegt der kleine Kasarmintori, ein Platz mit schmucklosem Pflaster und nur einem einzigen Kaffeepavillon...

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